Was ist Entomologie?

Detailaufnahme eines Bienenkopfes mit den gut zuerkennenden paarigen Antennen und den Komplexaugen. © pixabay / 2113634

Der aus dem Griechischen stammende Begriff „Entomologie“ lässt sich ganz einfach als Insektenkunde übersetzen. Das Wort Insekt dagegen kommt aus dem Lateinischen und bedeutet sinngemäß „eingekerbt“. Aufgrund ihres deutlich segmentierten Körpers wurden die Insekten in früheren Zeiten nämlich auch als "Kerbtiere" bezeichnet.
Die Insektenkunde lässt sich in die allgemeine und die angewandte Entomologie unterteilen. Beide Bereiche sind wichtig und deshalb auch im Namen unserer Gesellschaft repräsentiert, auch wenn dieser dadurch etwas sperrig anmuten mag.

Allgemeine Entomologie

Die allgemeine Entomologie umfasst die grundlegenden Teildisziplinen Morphologie (Lehre von der Gestalt), Physiologie (Lehre von den Lebensvorgängen) und Ökologie (Lehre von den Umweltinteraktionen) der Insekten. Auch die Systematik, die nach moderner Sichtweise die Taxonomie, Phylogenetik und die Evolutionsbiologie einschließt, die sich mit der Analyse der Verwandtschaft und der Abstammung der Insekten befassen, gehört hierzu. Die Taxonomie, die sich mit der Bestimmung, Einordnung und Neubeschreibung von Arten befasst, zieht dazu Daten aus der Morphologie heran, ergänzt durch genetische Methoden wie beispielsweise dem DNA-Barcoding. Schließlich seien hier noch die Entomofaunistik und die Biogeographie, die sich mit der Erfassung der Insekten in bestimmten Ökosystemen und der Dynamik ihrer Verbreitung befassen, erwähnt.

Jedes Individuum einer Insektensammlung ist mit Sammlungs- und Bestimmungsetiketten versehen. Auf diesen sind der wissenschaftliche Name, der Sammlungsort und das Sammeldatum des Tieres verzeichnet und somit für die Forschung archiviert. © Joachim Händel

Angewandte Entomologie

Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) ist Überträger von für den Menschen gefährlichen Viren. © wikimedia / James Gathany, CDC

Die angewandte Entomologie umfasst die Teilgebiete der Medizinischen Entomologie (entomologische Parasitologie), der Forstentomologie und der Agrarentomologie. Die beiden letztgenannten befassen sich mit schädlichen Insekten, die den Anbau und die Nutzung natürlicher Rohstoffe und Lebensmittel gefährden und einschränken, und mit den Ökosystemleistungen durch nützliche Insekten (natürliche Gegenspieler von Schädlingen sowie bestäubende Arten). In den letzten Jahren hat auch die Forensische Entomologie, die sich mit der Nutzung von Insekten zur Aufklärung von Verbrechen befasst, an Bedeutung gewonnen und immer wieder für Aufsehen in der Öffentlichkeit gesorgt.

Unter den in der DGaaE organisierten Entomologinnen und Entomologen finden sich zum einen Profis, die ihr Einkommen direkt mit der Entomologie verdienen, sei es als Angestellte in Gutachterbüros, der Industrie oder als Mitarbeiter/innen an Forschungseinrichtungen oder Behörden. Die zweite Gruppe bilden die Amateure oder Freizeitentomologen. Diese gehen meistens völlig unterschiedlichen Berufen nach oder befinden sich im Ruhestand, und beschäftigen sich außerhalb ihrer hauptberuflichen Arbeitszeit mit entomologischen Studien. Die Bedeutung dieser zweiten Gruppe für die Entomologie ist immens, und viele der bedeutendsten Artenkenner und Taxonomen beiderlei Geschlechts befinden sich hier.

Schließlich bietet  die Entomologie auch die Möglichkeit der Beteiligung von Laien im Rahmen von sog. „Citizen Science“-Projekten. Citizen Science oder „Bürgerwissenschaft“ kann von freiwilligen Einzelpersonen, Gruppen oder Netzwerken durchgeführt werden. Diese arbeiten meistens mit professionellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammen, um gemeinsame Forschungsziele zu erreichen. Beispiele sind der Mückenatlas (https://mueckenatlas.com/), der seit einigen Jahren durch die Zusendung von durch Laien gesammelten Stechmücken deren Verbreitung aufzeichnet, oder das große Tagfaltermonitoring (http://www.tagfalter-monitoring.de/).

Systematik und Vielfalt der Insekten

Neben ihrem ästhetischen Wert sind historische Publikationen vor allem in der Taxonomie unverzichtbar. © wikimedia / Carl Gustav Jablonsky 1780

Im 18. Jahrhundert erlebte die Naturwissenschaft allgemein einen bemerkenswerten Popularitätsschub. Viele Adlige, von denen heute einige als wissenschaftliche Pioniere bekannt sind, betrieben Naturforschung als Zeitvertreib. Fürsten betrachteten es als Prestigefrage, Gelehrte zu fördern und reichhaltige Naturalienkabinette, darunter auch Insektensammlungen, vorweisen zu können. Hinzu kam der immer stärkere Zustrom exotischer Anschauungsstücke aus allen Teilen der Welt. Mit dem Zeitalter der Aufklärung änderte sich das Wissenschaftsverständnis.

Die Zeit der augenscheinlichen Naturbeobachtung einzelner Individuen war abgeschlossen und die Menge der Arten unübersichtlich geworden, so dass man versuchte, durch geeignete Systematisierungen einen Überblick über die Insektenvielfalt zu gewinnen. Carl von Linné unterschied die Insekten in seinem Werk Systema naturae (Leiden 1735) vornehmlich nach ihren Flügeln. Zu dieser Zeit richtete sich die Insektensystematik lediglich nach einzelnen äußeren Körpermerkmalen (Flügel, Beine, Mundwerkzeuge) und war stets unzureichend gelöst, so dass sie immer wieder bemängelt und kritisiert werden musste. Johann Christian Fabricius gilt mit seinem Werk Systema entomologiae sistens insectorum classes (Leipzig 1775) als Begründer der Entomologie als eigenständige Wissenschaft. Seine Systematik beruhte vorwiegend auf den Mundwerkzeugen und hatte immerhin ein halbes Jahrhundert Bestand. Die Systematik der Insekten ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Durch Transkriptomanalysen konnten in den letzten Jahren auf diesem Gebiet bemerkenswerte neue Erkenntnisse gewonnen und große Fortschritte gemacht werden (http://www.1kite.org/news.html).

Insekten sind die evolutiv erfolgreichste Tiergruppe auf unserem Planeten

Aber wie misst man eigentlich „Erfolg“ im evolutionärem Sinne? Hier ein paar Zahlen:

Artenzahl (Diversität)
Insekten machen etwa zwei Drittel aller existierenden Tier- und Pflanzenarten aus, Bakterien und Pilze eingeschlossen. Die zuletzt publizierte genaue Artenzahl der Insekten weltweit betrug 962.500 (Dathe 2003). Allerdings sind seitdem viele weitere Arten beschrieben worden. Davon gehören etwa 80% zu den „Big 4“, den Käfern (Coleoptera), Zweiflüglern (Diptera), Hautflüglern (Hymenoptera) und Schmetterlingen (Lepidoptera). Darüber hinaus existieren viele Hochrechnungen und geschätzte Artenzahlen: Sie reichen von 2,5 Millionen (Grimaldi & Engel 2005), über 5 Millionen (Gaston 1991) bis hin zu 30 Millionen (Erwin 1982). Insgesamt haben in der Erdgeschichte bereits etwa 100 Mio. Insektenarten gelebt, von denen die meisten bereits ausgestorben sind. Eine Art existiert etwa 5 Mio. Jahre, bevor sie wieder ausstirbt.

Individuenzahl (Biomasse)
Die weltweite Individuenzahl von Insekten lässt sich nicht erfassen. Näherungen sind möglich über die Bestimmung der Biomasse (Gewicht). Beispiel der Wanderheuschrecken (Schistocerca): Ein Schwarm kann aus mehreren Milliarden Individuen bestehen, die gleichzeitig mehrere tausend Quadratkilometer Land bedecken können. Etwa 10% der tierischen Biomasse in den Tropen sind alleine Termiten, die 50–100% der toten pflanzlichen Biomasse abbauen.

Evolutives Alter
Die Insekten haben sich parallel zur Radiation der ersten Gefäßpflanzen (Farne) entwickelt. Die Wissenschaft schätzt das evolutive Alter der Insekten auf etwa 480 Mio. Jahre. Die geflügelten Insekten existieren seit etwa 410 Mio. Jahren (Misof et al. 2014). Die holometabolen Insekten sind etwa 240 Mio. Jahre alt und lebten bereits zusammen mit den ersten Dinosauriern. Sie haben ihre größte Artenvielfalt vor 100 Mio. Jahren durch Koevolution mit den Blütenpflanzen erreicht (85% aller Angiospermen sind insektenbestäubt).

Verbreitung
Insekten ist es gelungen, alle terrestrischen und aquatischen Lebensräume zu besiedeln, mit Ausnahme des marinen Benthals und der offenen Ozeane (eine Ausnahme die Meerwasserläufer Halobates spp.).

Fazit

Insekten sind die evolutiv erfolgreichste Gruppe auf unserem Planeten, egal welche Indikatoren man heranzieht: Sie haben die größte Diversität. Sie sind die ältesten Landtiere. Sie sind die ersten Besiedler der Luft. Sie sind am weitesten verbreitet.

Besondere morphologische, physiologische und ethologische Anpassungen haben Ihnen ermöglicht,  alle nur denkbaren Lebensräume zu besiedeln. Mit Ausnahme einiger „Grenzgänger“ blieb ihnen nur der Weg zurück ins Meer verwehrt.