Interviews mit Entomologen

Prof. DI Dr. Ernst HEISS - Interview auf der Entomologentagung 2013

Fragen: Viktor Hartung

Wie sind sie zur Entomologie gekommen? Gab es einen bestimmten Moment in Ihrem Leben, wo Sie gesagt haben: Ich will Entomologe werden?

Die erste Neigung kam in der Schule von einem Naturgeschichtsprofessor, der uns diese Dinge nahe gebracht hat. Da nimmt man das so ein bisschen mit, das Sammeln und Fangen. Zuerst mit Käfern, wie das meistens der Fall ist, dann kam alles Mögliche dazwischen, vor allem das Studium und dann die Arbeit, da könnte ich das nur noch ganz beschränkt machen, und erst dann, wo ich wieder ein bisschen Luft hatte, dachte ich: mach' mal weiter.

Ich habe eine Architektenausbildung gemacht und 40 Jahre lang ein eigenes Büro geführt, habe aber daneben schon meine Sammeltätigkeit begonnen und habe dann während meiner Architekturarbeit ein Biologiestudium begonnen, um diese Dinge, die ich praktisch in der Hand hatte, auch theoretisch ein bisschen untermauern zu können. Ich habe 1995 mit dem Doktorat in Biologie (Zoologie) abgeschlossen und damit eine bessere Basis für meine weitere entomologischen Arbeiten gefunden.

Gab es Bücher, Filme oder Kunstwerke, die Sie dazu animiert haben könnten?

Nein, ich glaube, das war die Erfahrung im Felde, einfach die Dinge, die ich gesehen habe und sehen wollte. Das hat Freude gemacht – und, auf dieser Freude aufbauend, auch das Interesse zu wissen, was könnte was sein, und so habe ich mir Literatur besorgt, habe versucht, Kontakte zu bekommen, und damit kommt man weiter.

Gab es bestimmte Personen, die Sie beeinflusst haben?

Weniger beeinflusst, mehr waren es Anlaufstellen, wenn man am Anfang Hilfe braucht, und sie waren zuerst Käfersammler, und später waren das 2 oder 3 Bekannte von den inzwischen verstorbenen Heteropterologen, die mir ein bisschen auf die Sprünge geholfen haben.

Ist Entomologie Ihre „eine große Liebe", oder eine der vielen Leidenschaften?

Ich würde sagen, es ist eine meiner großen Lieben, deshalb habe ich mir auch das angetan, neben der Arbeit ein Studium zu machen, was sehr zeitintensiv war: ich hatte häufig um 8 Uhr eine Vorlesung, um 9 Uhr eine Baubesprechung, und dann nochmal dieses und jenes, aber ich habe es mit Freude und Begeisterung gemacht. In der Zwischenzeit habe ich mein Büro abgegeben und versuche mich intensiver mit den Dingen zu beschäftigen, die mich wirklich interessieren.

Man behauptet, Mathematik entwickelt beim Menschen logisches Denken; Technische Berufe helfen, mit Geräten und Computern im Alltag besser klar zu kommen. Gibt es etwas, was Entomologie im Menschen entwickelt, oder wozu sie im Alltag gut ist?

Ich würde sagen, ich habe gewisse Vorteile durch meine architektonische Ausbildung und vor allem auch durch meine Tätigkeit. Ich kann leichter zeichnen, ich kann mir räumlich was vorstellen, ich kann Dinge auch dreidimensional besser sehen. Ansonsten würde ich meinen, Entomologie ist eine Sache, die primär Freude bringen soll, die primär ein persönliches Glücks- oder Erfolgsgefühl bringen soll – was es auch tut. Abgesehen davon hat es natürlich auch einen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Nutzen - das sind aber verschiedene Gebiete, die sich vielleicht manchmal ergänzen, manchmal auch nicht.

Stellen Sie sich vor, ein Erstsemestler kommt zu Ihnen und sagt: ich habe die Wahl zwischen einer Karriere in Entomologie und einer Karriere in Molekularbiologie. Was würden Sie ihm raten?

Ich kann das nicht beurteilen. Versuch das eine, was dir Freude macht, und dann schaue, ob es funktioniert.

Was wären die besten Orte – in Österreich, in Deutschland, weltweit – um Entomologe zu werden?

Eine schwierige Frage. Das hängt von den Personen ab, die dort jeweils Entomologie vermitteln. Zur Zeit wird bei allen Universitäten gespart, es gibt kaum noch Universitäten, wo ein Taxonom, Systematiker versucht, Kenntnisse an junge Leute weiter zu bringen – und das ist sehr bedauerlich, aber das ist leider ein Zustand, der dazu führen wird, dass wir bald eine große Lücke haben werden in der Taxonomie. Die molekulare Forschung basiert letzten Endes doch auf Taxonomie; erst ein sicher bestimmtes Objekt lässt überhaupt Aussagen über sich machen.

Sie hatten ja einen anderen Beruf und Entomologie als quasi Hobby betrieben; aber geht es überhaupt: Entomologie und Business, Entomologie und Geschäft, Entomologie und Geld Verdienen?

Ich würde meinen, bei mir ist es das Gegenteil: ich habe mit einer anderen Arbeit Geld verdient und jetzt gebe ich's aus – um Material zu kaufen, um Reisen zu machen, Bestimmungsarbeit durchführen zu können – ohne dass ich dafür etwas bekomme. Also ich glaube nicht, dass man mit Entomologie so viel verdienen kann, dass man ohne Weiteres davon leben kann, das sind Ausnahmefälle – aber reich kannst du nicht werden.

Was tun Sie – oder würden gerne tun – um Entomologie den Menschen näher zu bringen, besser zu „promoten"?

Was ich tun kann und tue ist, junge Leute zu begeistern, denen zu helfen, zur Hand zu gehen soweit ich kann, - und das hat recht positive Züge angenommen und es freut mich, dass es so funktioniert.

Jetzt kommt eine Frage, die für jeden Entomologen sehr schwer ist – ich muss sie aber trotzdem stellen: haben Sie ein Lieblingsinsekt, oder Gruppe von Insekten?

Eine Lieblingsgruppe habe ich – das sind die Aradidae, die Rindenwanzen. Ich habe davon eine größere Kenntnis, und deshalb zeigt sich auch immer wieder Neues und besonders Interessantes.

Wie sehen Sie die Zukunft der Entomologie? Um es überspitzt zu formulieren: was wären die 3 großen Probleme, die die Entomologie des 21. Jahrhunderts lösen sollte?

Schwierige Frage. Eins der wichtigsten Probleme schiene mir eine gesicherte Ausbildung. Das zweite – eine gesicherte Bestandsaufnahme, damit man überhaupt weiß, was noch da ist. Und drittens – Eindämmung all dieser Vernichtungskampanien, die im kleinen und im großen weltweit passieren, weil sehr bald ein Großteil dieser fantastischen Fauna nicht mehr da sein wird. Eine ganz persönliche Sicht.